Erkundung am Neumacher-Berg
Autor: Axel Reimann
Manche mögen im Garten am liebsten die Blumen. Oder die Hecken und Sträucher. Viele Gartenfreundinnen und -freunde freuen sich, wenn sie Samen säen, Knollen vergraben, Pflanzen setzen und das Wachsen erleben dürfen und vielleicht sogar irgendwann etwas ernten können. Habe ich alles ausprobiert. Ist nett. Wirklich. Aber eine echte Beziehung habe ich im Garten nur zu unserem Komposthaufen. Da renne ich hin mit jedem gebrauchten Kaffeefilter, mit Teebeuteln, Eierschalen, mit allen Obst- und Gemüseresten (natürlich ungekocht), mit Schnittgut und Laub. Ein besonderer Glücksmoment ist es, wenn ich irgendwo einen Regenwurm finde – der muss dann auch in den Kompost umziehen. Manchmal stehe ich dann noch eine Weile vor diesem Haufen Biomüll und schaue zu, wie sich der Regenwurm in seiner neuen Heimat so einrichtet. Obwohl der Komposthaufen der unansehnlichste Teil des Gartens ist, bin ich von ihm absolut fasziniert. Weil er für mich so ein großartiges Zeichen für Hoffnung und Leben ist, ein listiger und überraschender Trotzdem-Ort mitten im Vergehen und Sterben. Auf den Komposthaufen trägt man das Tote, das Wegzuwerfende, das Ausrangierte. Das Unansehnliche, das Verdorbene, die Reste. Das, was mal Leben war und vielleicht Nutzen gestiftet hat. Die Blumen von gestern, die ausgeträumten Träume, die ungenießbar gewordenen Früchte. Ich werfe sie hinein in den Komposter, vielleicht noch ein paar Zweige hinterher – immer schön schichten! – und dann wieder den Deckel drauf. Dann kann ich nichts mehr machen. Klar, nicht zu feucht halten, nicht zu trocken. Aber beim Verrotten kann ich nicht helfen. Ich kann nur das Ausgangsmaterial zur Verfügung stellen. Und dann arbeitet es. Im Stillen. Mikroorganismen (Bakterien oder Pilze zum Beispiel) werden aktiv, Würmer, Insekten, Asseln, Spinnen ziehen ein. Es wird warm da drinnen. Und selbst im eiskalten Winter unter einer Frostschicht wartet tief im Inneren des Komposts das Leben. Und das, lange bevor man ihn als Kompostdünger wieder in den schönen Teil des Gartens entlässt. Es ist paradox: Aber das Leben und die Hoffnung sind im vorzeigbaren Abschnitt des Gartens vielleicht sogar weniger präsent als in den Schmuddelecken und Komposthaufen, gerade da, wo man es nicht erwartet.
Fragen zum Weiterdenken:
Was ich auf meinen Komposthaufen bringe:
Was beim Kompostieren hilft:
Was später auf dem Kompost wachsen soll:
Dieser Text steht im Themenheft